Fünf Fragen: Skandinavische Literatur & Kopenhagen

Fünf Fragen: Skandinavische Literatur & Kopenhagen

Bei einem kleinen Verlag wie diesem, spielen LeserInnen eine wichtigere Rolle, als man vielleicht denkt. Nicht nur, dass ihr die Bücher kauft und empfiehlt, sondern auch der Austausch mit euch. In dieser neuen Serie beantworte ich Fragen, die mich erreicht haben. Diesmal über skandinavische Literatur und Kopenhagen.

Was passiert auf dem Skandinavischen Markt? 

Der skandinavische Literaturmarkt hat mich immer fasziniert, weil er grenzüberschreitend ist. Wir haben eine gemeinsame (Kultur-)Geschichte, die auch heute noch spürbar ist – und in der Dänemark nicht die Rolle als Held spielt. In Deutschland kennt man das vielleicht, dadurch dass Literatur auch über die Grenze nach Österreich und die Schweiz fließt, und von dort zurückkommt. Aber das besondere hier ist, dass unsere Sprachen doch ziemlich unterschiedlich sind. Klar, haben sie deutliche ähnliche Charakteristika, doch immerhin sind es drei unterschiedliche (Schrift-)Sprachen. Auswechslung findet immer statt – auch weil AutorInnen Schreibschulen in Norwegen, Schweden und Dänemark besuchen und in ihrer eigenen Sprache schreiben.

Dieser Faktum macht es auf der einen Seite einfach über den “einen” Markt zu sprechen – andererseits gibt auch deutliche Unterschiede, Trends, oder Veränderungen die nur in einem Land stattfinden. In Dänemark z.B. merken wir alle, wie ein norwegischer Konzern mit seinem neuen Verlag Gutkind alles auf den Kopf gestellt hat,. Mit ihrem ersten Programm dieses Jahr haben sie die Bestseller-Liste dominiert, und ich glaube, dass wird einiges, wenn nicht in ganz Skandinavien, dann wenigstens in Dänemark verändern. Gutkind ist das Ergebnis davon, dass der größte Verlag Gyldendal den etwas kleineren Rosinante aufgelöst haben. Mehre LektorInnen haben keinen Job bei Gyldendal angenommen, sondern einen eigenen Verlag gegründet. Das gilt auch für Marie Vinter, die den Vinter Verlag gegründet hat – ein Verlag für übersetzte Literatur und Essays, der mit nicht weniger als dem letzten Buch von Michel Houllebecq angefangen hat. Ich glaube generell, dass man auf die Neuschöpfungen der Verlagsszene Skandinaviens ein Auge haben muss – sie werden viele Veränderungen schaffen können. Und hoffentlich werden die größere Akteuere das zulassen. 

Mehr über den dänischen Literaturmarkt bspw. Diversität hinsichtlich der Autor*Innen etc. 

Frage zu Diversitet zu beantworten ist nicht einfach – jedenfalls nicht allgemein, und überhaupt nicht mit Bezug auf die Literaturszene. Wenn ihr mich persönlich fragt, habe ich nicht den Eindruck, dass Autorinnen weniger repräsentiert sind als ihre männlichen Kollegen. In meiner Recherche für diesen Artikel, konnte ich leider nur eine etwas ältere Untersuchung finden, aber die zeigte, dass Frauen deutlich mehr lesen als Männer – und Autorinnen auch die Mehrheit der meist ausgeliehenen Bücher in den nationalen Bibliotheken geschrieben hatten. Von den 20 am häufigsten ausgeliehenen Büchern von 2009-2010 waren bloß fünf von Autoren, der Rest hatte eine weibliche Signatur auf dem Cover. 

Problematisch wird es, wenn wir über das Pensum in den Schulen sprechen. 2004 wurde ein Kanon annonciert – das heißt Pflichtpensum in den Schulen – in dem waren vierzehn Autoren und eine Autorin vertreten. Obwohl es, selbst wenn wir zurückblicken, gar nicht so wenige Autorinnen von Bedeutung gibt. Zu dieser Liste kommen zwei ergänzende Anleitungen für die Grundschule und das Gymnasium. Hier finden wir drei weitere Autorinnen. Aber das ändert nicht viel am Gesamtbild, dass die Literatur, die unterrichtet wird, männlich ist. 

Das größte Diversitetsproblem unserer Szene sehe ich aber nicht beim Geschlecht, sondern bei der Herkunft. Die Szene ist nämlich hauptsächlich weiß. Ich weiß, dass es unterschiedliche Barrieren gibt – wovon Sprache die eine ist – aber viel mehr denke ich, dass es an der Repräsentation liegt. Und ich finde es Schade, dass wir immer nur vom gleichen Teil der Bevölkerung zu hören bekommen. Die Lösung kenne ich nicht, aber ich höre auch von niemandem, der in der Position wäre, das zu beeinflussen, nicht mal eine Überlegung oder ein Frage, ob sich hier was ändern ließe. Dieses Problem spiegelt sich auch in meinem Programm wider, aber ich sage euch eines: Ich arbeite dran, ich bin nicht blind, und ich werde es verbessern. 

Welche Themen interessiert dich gerade besonders? 

Seit ich “Ich, Unica” entdeckt habe, hat mich die Exo-Fiktion sehr interessiert. Es ist spannend, wie sich so viele, vor allem Autorinnen, für das Schicksal vergessener Künstlerinnen einsetzen – nicht nur in Skandinavien, sondern überall. Gerade lese ich Du, Alice von Simone Scharbert, ein Buch aus der Perspektive der feministischen Ikone Alice James. Gleichzeitig lese ich (ich weiß, es ist eine furchtbare Angewohnheit) das Debüt der schwedischen Ida Therén Att omfavna et vattenfall, eine Fiktionale Erzählung über das Verhältnis zwischen Henry Miller, Anais Nïn und June Mansfield. Aus der selben Gattung, kann ich auch Vivian von Christina Hesselholdt sehr empfehlen, das von Ursel Allenstein aus dem Dänischen übersetzt und bei Hanser erschienen ist. 

Coole Kunstläden und Künstler? 

KünstlerInnen:

@klara_lilja

@roseeken

@fiefryd 

@can_family 

@sirivittrup

@cathrinerabendavidsen

Kunstläden

@editioncopenhagen 

@curated_copenhagen

@limitedworks 

Buchtipps (kulturgeschichtlich, soziologisch) über Kopenhagen

Ich weiß leider nicht, ob ich auf diese Frage eine gute Antwort habe, da ich wirklich selten über Kopenhagen gelesen habe – außer in der Schule. Aber einige, vielleicht etwas schräge Tipps habe ich. 

Bodega Blues von Henrik List. Ein Buch über die letzten, alten Kneipen auf Vesterbro – der Stadtteil mit dem Red Light District von Kopenhagen. Eine liebevolle, humoristische Huldigung an das Leben auf der “Steinbrücke”, wie man die alten Stadtteile nennt, die in den großen dänischen Städten durch die Gentrifizierung verschwinden. 

Über Vesterbro geht’s auch bei Tove Ditlevsen, die über ihre Kindheit als Teil der Arbeiterklasse in der Stadt erzählt. Kindheit erscheint im Januar beim Aufbau Verlag.